Covi, wie ich ihn zärtlich nenne, ist jetzt mein neuer Lebenspartner, ich bin nicht sicher, ob Lebensabschnitts-.
Er könnte auch David heißen oder Hase, aber so findet er sich zeitgemäßer, cool irgendwie und alle behandeln ihn mit Respekt.
Er fläzt sich in meiner Sofaecke, er grummelt in meinen Eingeweiden, er zwingt mich zum Preppern, er hockt in hinteren Winkeln tief gelegener Schubkästen, die sämtlich aufgeräumt wurden.
Jetzt könnte der Besuch wirklich überall reinschauen, perfekte Ordnung. Und nur Gutes, Wahres und Schönes, was mich auch nachher glücklich machen wird, durfte bleiben.
Oder so ähnlich.
Covi fühlt sich wohl, scheint es.
Die Fenster sind geputzt, Brot ohne Getreide ist gebacken und für lecker befunden worden, ich habe zwei Kilo zugenommen und abgesehen von dem blöden Molch, der mein Leben verdüstert wie unser aller Leben, geht es mir gut. Sagt er jedenfalls.
Ich sage: in Zeiten, in denen alles crashed, Jobs, Karrieren, Beziehungen und Pläne, wie kann es mir, wie kann es uns da gut gehen?
Du hast, sagt Covi, und tänzelt zum Kühlschrank, alles, was Du brauchst. Und du hast mich.
Seit ich ihn habe, den großen Spaßvermieser, hat der Tag weniger von allem.
Gefühlt weniger Stunden sogar, neunzehn ungefähr.
Vielleicht auch daher sein Name, denn dass er erst seit 2019 unter uns weilt, ist ja ein Bluff. Schon 2018 dümpelte er in der Kanalisation Barcelonas herum, aber weil er noch keinen Namen hatte, wurde er ad acta gelegt. Oder weil es heiß war und jeder an den Strand wollte. Oder weil die Katalanen lieber ihren Unabhängigkeitssüchten nachhingen, die sich jetzt, da sie Geld und Unterstützung von anderen brauchen, verflüchtigt haben. Früher waren ihnen alle anderen gleichgültig, jetzt verlangen sie Geld, Unterstützung und Mitgefühl von eben jenen.
Früher schlief ich fünf Stunden, mit wachsendem Alter und offenbar entspannter Trägheit sieben, in den Ferien manchmal sogar lasterhafte acht.
Jetzt zehn. Zehn! Von den fiktiv existenten vierundzwanzig bleiben nur noch vierzehn, der Rest ist in den putzigen Kräuseltentakeln des Covidmonsters versickert. Keiner braucht mich mehr. Da kann ich auch abhängen.
Von den vierzehn übrigen Stunden verbrauche ich zwei, um zum Supermarkt zu trödeln und in Regalen, an denen ich früher achtlos vorbeihetzte, alle Produkte persönlich kennenzulernen. Nährwerte, Zusatzstoffe, alles Kleingedruckte nehme ich unter die Lupe.
Vielleicht muss ich das eines Tages selbst herstellen?
Vor allem Abstand halten kostet Zeit, immer muss ein Umweg genommen werden, um dem maskierten Mädchen, dem vermummten Mann auszuweichen.
Sie alle könnten immerhin meine Feinde sein, virenverseucht, wie sie eventuell unwissentlich sind.
Vielleicht ist der Maskenmann bloß mein Nachbar? Schon schade, wenn ich ihn nicht mehr erkenne, aber da wir einander eh nicht mehr grüßen und vor allem auch nicht mehr in die Augen sehen, egal.
Denn wo bitte sollen die sein? Unter der beschlagenen Brille am Rande der mit Sauriern bedruckten Maske oder unter den Ponyfransen? Bei der Kühltruhe sehe ich in ungeschminkte, ausdruckslose, irgendwie fade blaugraue, geradezu wässrige Augen, die, wie ich erschrocken im Spiegel entdecken muss, mir gehören.
Ich schleppe meine Beute nach Hause, gemächlich, denn Auslauf gleich Frischluft.
Lebensmittel, von denen ich bis nächste Woche vierunddreißig Hauptmahlzeiten zubereiten kann und neunundzwanzig Snacks.
Außerdem nehme ich einen anderen Weg. Mein Gehirn muss bespaßt werden.
Wie ein Rottweiler ohne Schnüfferlebnis wird es sonst unwirsch und angriffslustig.
Mein Neuer allerdings kennt keinen Streit. Er lässt mich ein bisschen herumtollen, mich erregen und verzweifeln. Da ist er großzügig, ja, es hat auch was Spielerisches, wie er hoffen lässt, an der Nase herumführt und dann zuschlägt.
Rigoros wie er ist, gewinnt er sowieso.
Vom Weg nach Hause könnte ich inzwischen jeden Erker, jeden Wipfel, jeden plattgefahrenen Igel am Weg detailgetreu zeichnen, denn der Neue verlangt, dass ich bei Fuß gehe. Giere ich nach Abenteuern, deutet er kalt lächelnd auf sich.
Covi soll das Abenteuer meines Lebens sein? Reizlos das Leben wie einst das fusselige Haarnetz meiner Großmutter in lichtgrau, abgestimmt auf den Farbrestton ihres Flaumhaares.
Der Tag ist rum, ehe der Grünkern gequollen, die Gesichtsmaske zusammengerührt und die Rosmarin am Balkon frisch eingetopft grünt.
Der Tag ist keiner mehr, wenn ich keinen treffe, mit keinem rede und mit niemandem lache.
Das Lachen ist abgeschafft. Nur der Covi feixt.
Die Bank auch, sie überhäuft mich mit Glückwünschen, dass sie in dieser schweren Zeit an meiner Seite sei. Ich kann einen Kredit mit vier Klicks abschließen. Und mich damit endgültig abschießen.
Der virtuellen Möglichkeiten sind so viele, dass mir kalter Schweiß ausbricht. Die Nähe zu meinem Neuen ist ein Hochsicherheitsrisiko und immer will er näher ran, will Körperlichkeit und ist derart vernarrt in mich, behauptet er, dass er bis ins Innerste meiner Lungenflügel vordingen möchte, um mich zu liebkosen.
Neunzehn, wispert Covi, ist deine Glückszahl.
Er faselt auch, dass wahre Liebe bis ins Mark trifft und wenn ich erst akzeptieren könne, dass er alle Fäden in der Hand hat, würde ich leicht davonschweben, in andere Sphären.
Und ich stelle mir vor, wie er milchige spinnenfeine Fäden kreiselnd um sein Stricklieselkörpergebilde windet und sich verfitzt, wie er japst und zur Abwechslung mal ihm der Atem wegbleibt.
Besser ich, säuselt er. Genieß mich, solange du noch kannst. Nach mir kommen meine Geschwister und die sind nicht so sanftmütig und fair. Ich muss sagen, die sind, ja, sorry, entartet.
Ich lache nicht, sondern kraule sein Knubbelhaupt.
Er ist sehr anhänglich, das muss man ihm lassen. Und war es nicht das, was wir Frauen Ü30 immer träumten? Einer, der bleibt. Sich voll auf uns einlässt.
Ich denke, ich habe die Sache mit der Zugewandtheit überschätzt.
Gerne würde ich ihn in Pflege geben, bei jemandem, der auch sonst alles sammelt, Schmetterlinge, Hunde von der Algarve, Katzen von den Kanaren zum Beispiel.
Sie mögen doch sicher Tiere?
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