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Katastrophen - und wie man ihnen widersteht

1500 aktive Vulkane hat die Erde, derzeit lassen 25 mit Ausbrüchen anklingen, dass sie auch anders können, als träge zu schlafen.

Die Eruptionen sind nah, sie treffen derzeit die Isla Bonita, die vor fünfzig Jahren, als sie den letzten Ausbruch überstand, dünner besiedelt war.

Zwei Millionen Jahre ist sie alt, wie alle kanarischen Inseln vulkanischen Ursprungs. Aus geologischer Sicht blutjung, noch in ihrem Formungsprozess begriffen.

Jeder hat furchterregende Bilder von Vulkanausbrüchen gesehen, die meist aus fernen Gegenden stammten. Wir kannten da niemanden.

Jetzt aber betrifft der Ausbruch des Cumbre Vieja unsere traumhaft schöne, grüne Schwesterinsel. Die sich nun schwarz verhüllt unter glühendem Feuerschein.

Allmählich verdunkelt sich die Sonne.

Menschen, die zusehen müssen, wie ihr Haus innerhalb von Sekunden pulverisiert wird, sprechen höflich und sachlich ins Mikrofon der Fernsehsender, was alles sie schon verloren haben: das Wohnhaus, die Finca, die Plantage, auf der die ganze Familie vom Avocadoanbau lebte.

Und die Autos, die wir brennen sahen? fragt die Reporterin. Ach ja, die Autos. Auch die. Fotos und Erinnerungsstücke. Alles eben.

Am Sonntagnachmittag kurz nach fünfzehn Uhr, das Mittagessen stand bereit, öffnete sich der erste Schlund des Alten Gipfels explosionsartig.

Auf Videos der Anwohner ist zu sehen, wie im Garten hinterm Haus ein Rauchpilz aufsteigt und Steine aus dem Erdinneren geschleudert werden, Aschematerialien unter großer Hitze und Getöse an die Oberfläche treten. Das ist der Beginn. Und zu hören ist, wie jemand sagt:

Es ist noch Zeit zu essen. Die erste von vielen Übersprungshandlungen infolge von enormem Stress.

Alle Canarios kleben Tag und Nacht vor Bildschirmen und verfolgen wie die Isla Bonita durch einen Vulkanausbruch verwüstet wird.

Tausende Menschen wurden bereits evakuiert, kommen bei Freunden, Familie oder in Notunterkünften unter. Hilflos beobachten Feuerwehrleute, wie die Lava erst die Straße und dann die Schule des Dorfes verschlingt. Auf dem Weg verschwinden Hunderte Häuser unter glühenden Schichten.

Heute, da die Lava etwas langsamer fließt, können einige der Bewohner innerhalb einer Stunde das Unverzichtbare retten.

Was ist das Unverzichtbare? fragt eine Bewohnerin. Die anrufende Bürgermeisterin weiß keine Antwort.

Die Lava okkupiert gnadenlos sämtliches Terrain, zerstört Oberflächen, Vegetation, Gebäude, das Leben.

Ab und an hellen sich die schwarzen Wolken explosionsartig auf, wenn die mehr als eintausend Grad heiße Lava auf Wasser trifft. Tausende Liter Wasser in Swimmingpools oder Aljiben verdampfen in Sekunden.

Einige Bewohner können ihr Häuschen auf einem Islote, einem Hügel stehen sehen. Wie auf einer Insel gleicht es aus der Luft einer Oase. Sogar zwei Palmen haben überlebt bisher. Umflossen von dampfenden, noch immer glühenden, bis zu fünfzehn Meter dicken Gesteinsmassen, steht es wie ein Symbol des Sieges einsam da oben.

Kein Trost, denn das Haus kann nicht mehr betreten werden.

Eine unbedarfte Fernsehmoderatorin des Kanarischen Fernsehens rief am Sonntag dazu auf, den Vulkanausbruch zu genießen.

Die nationale Tourismusministerin schwärmte noch vor wenigen Tagen von dem neuen touristischen Highlight, ähnlich wie Hawaii.

Währenddessen agiert der Vulkan eher wie der Ätna, explosiv, längst außer Kontrolle. Giftige Gase, Ascheregen in kristallinen Strukturen gefährden die Gesundheit.

Ministerpräsident Pedro Sánchez war schon da und wird wiederkehren, versprach Hilfe und schickte Feuerwehrleute, Militär und Rotes Kreuz.

König Felipe VI. und Königin Letizia wollen sich Fotos in diesem Umfeld keinesfalls entgehen lassen, am Donnerstag besuchen sie La Palma. Wozu?

Der Ruf der Monarchie ist porös wie die Lava der Klasse AA, die massenhaft La Palma attackiert. Ein Bildchen mit wehendem Haar und ein, zwei Ascheflöckchen steht zu erwarten samt der üblichen Beschreibung des eleganten Kleidungsstils.

Der Wahnsinn findet allerorten statt.

Wissenschaftler, die irrten, als sie annahmen, dass den tausenden Erdbeben im Vorfeld nichts weiter folgen würde, können nur schwer ihren inneren Jubel unterdrücken, endlich mal was los in ihrer meist versteinerten Wissenschaft. Gefragt wie nie vermitteln sie vulkanologisches Basiswissen. Wann endet das? Nun ja, man eruiert, man misst, man vergleicht, man denkt sich dies und das und hat keine Antwort.

Die längste Eruption in der Geschichte der Menschheit fand auf Lanzarote statt. 2055 Tage lang.

Keiner der Vulkanausbrüche auf La Palma bisher währte länger als eineinhalb Monate. Das war die Hoffnung der Bewohner, aber seit heute kalkuliert man drei Monate. Nur, wer weiß das schon?

Noch fließt die Lava Richtung Meer, vor der Küste erstrecken sich riesige Bananenplantagen, die wirtschaftliche Existenz von zehntausend Familien.

Trifft sie auf den Atlantik, würden explosionsartig ungeheure Energiemengen frei. Ungebremst.

Die Palmeros beschwören calma (Gelassenheit), tranquilidad (Ruhe) und animo (Mut), können all das aber kaum noch aufbringen, denn Schlafentzug macht sich bemerkbar. Bei den konstant bedrohlichen Geräuschen, dem ununterbrochenen Lärm kann kein Mensch Ruhe und Vergessen im Schlaf finden.

Ab und an bellt ein Hund, verängstigte Tiere wollen sich nicht aus Stallungen retten lassen, zu gefährlich scheint ihnen die Welt da draußen.

Lang bekannte wissenschaftliche Theorien und Prognosen erscheinen in neuem Licht:

La Palma könnte eine neue Schwesterinsel bekommen, die unterhalb des Meeresspiegels aufsteigt.

La Palma könnte in zwei Teile zerbrechen.

Ein Tsunami mit einer Höhe von bis zu fünfhundert Metern würde die Kanaren in diesem Fall allesamt überfluten und New York treffen.

Nichts davon wird passieren, die Canarios sind sich da sicher.

Wir schaffen das, wenn wir einander beistehen. So wie jedes Mal.

Im Anblick der Katastrophe nicht zu verzweifeln, sondern Widerstand zu leisten im Handeln und ungebrochen nach vorn zu schauen, diese typische kanarische Resilienz wird auch den Palmeros nachgesagt. Darauf bauen sie jetzt. Denn das ist, was bleibt.

Die grüne Rose, die alle einander schicken in diesen Tagen, gilt als das Symbol der Hoffnung, der Gesundheit, der Liebe, des Friedens und des Wohlbefindens.

Und das ist. was wir sehen: Widerstehen im Anblick einer echten Katstrophe kann der Mensch. Und er widersteht.

All die eingebildeten Lappalien, die zu Katastrophen hochgejazzt werden, sind nicht, woran wir wachsen. Das wissen die Mensch im Ahrtal , auf La Palma und überall in der Welt, wo die Existenz auf dem Spiel steht.

Dem anderen Hilfe leisten, ist, was zählt.

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