Soft also...noch nicht lange her, da war das Gegenteil erwünscht.
Hart im Nehmen sollten wir sein, uns nicht so haben, uns durchbeißen, vorwärts um so ziemlich jeden Preis. Gerne die Ellbogen abgespreizt.
Und die wir da anrempelten, übersahen oder überrollten, versehentlich oder weil wir Biss hatten, wie man uns Schulter klopfend attestierte, das waren die, tja, zu Weichen.
Die es auch ohne unsere kleinen Fouls nie an die Spitze schaffen würden.
Unausgesprochen galt ein bisschen Ruppigkeit als hinnehmbar, als Beweis von Durchsetzungskraft, Führungsstärke gar. Rührselig darf nicht sein, wer an die Spitze will, erste Lektion.
Nur die Harten, die ihre Emotionen im Griff behalten, lernten wir in Wochenendseminaren, würden ein ausreichend dickes Fell anlegen, das oberflächlich glänzt, selbst wenn es räudig ist.
So schön glatt waren wir oder wollten es werden.
Denn wo keine Kanten sind, da kann nichts hängen bleiben.
Der Mensch ist ein Beharrungstier. Und ängstlich dazu.
Lang gedauert hat es, bis wir uns eingestanden, dass in diesem mechanischen System fühlbar eine Schieflage wuchs. Es brauchte vieler Irrtümer, Niederlagen und noch mehr Enttäuschungen, die jetzt Burnouts heißen, bis wir verstanden, dass wir uns ins kalte Aus manövrierten.
Kalt und aus.
So dramatisch wie einst geschieht das selten. Wir müssen nicht die Antarktis als Erste durchqueren. Wir sind nicht Ernest Shackleton. Gebeutelt, unmenschlichen Strapazen ausgeliefert, „sterbensmüde“ wie der Mann, den seine Leute „Boss“ nannten, schrieb.
Wobei, es gab schon den einen oder anderen Moment, sogar bei Frühlingstemperaturen, da hat sich alles grausam angefühlt, nicht wahr?
Ich sage nur: Pandemie. Aber darauf kommen wir in einem anderen Kapitel.
Nun, der Mann, den sie „Boss“ nannten, verließ die Mannschaft, um sie zu retten.
Vier Anläufe wagte er für dieses aussichtslose Unterfangen.
Es gibt dieses Foto, als die auf dem Eis Zurückbleibenden den Männern winken, die in der Nussschale Hilfe holen wollen. Sie ahnen, was sie noch werden erdulden müssen.
Das notdürftig zusammengeflickte Bötchen ein gutes Stück vom Ufer entfernt. Die Gesichter ihrer Schicksalsgenossen können sie lang nicht mehr ausmachen, aber sie winken, mit aller Kraft, die ihnen geblieben ist. Einer schwenkt seine Mütze. Ein anderer hat den Arm schon sinken lassen.
Trotz aller Zweifel: ein Versprechen auf beiden Seiten:
Durchhalten, vertrauen, alle Energie aufbieten.
Sich aufeinander einlassen und verlassen können ohne verlassen zu werden.
Shackleton kehrte zurück und löste sein Versprechen ein. Alle 22 Männer wurden gerettet.
Der britische Polarfischer irischer Abstammung besaß sämtliche Soft Skills, ohne dass er sie so nannte.
Und wir?
Wollen sie dringend, weil wir gehört haben, dass man sie braucht. Dass sie gewollt werden neben allem anderen, sämtlichen Hard Skills, die unglücklicherweise auch unsere Mitbewerber haben.
Schon wird der Lebenslauf gepimpt mit Softskills, die man in Tabellen aufrufen und dann schönen kann.
Schon wieder reagieren wir über. Das Beharrungstier bekommt Schnappatmung.
Rudern in der Freizeit? Großartig, schließlich bedeutet dies Teamgeist, Anpassungsfähigkeit.
Besteigung eines Sechstausenders? Fabelhaft. Kaum zu toppen. Da ist alles drin, Mut, Durchhaltevermögen, Energie, Teamfähigkeit.
Dass die Sherpas einen für einen unsolidarischen, absolut untauglichen Blödmann hielten, geschenkt.
Die Kollegin, deren Lächeln immer nur in den Mundwinkeln klebt und nie aus den Augen leuchtet, arbeitet derzeit intensiv an ihren Soft Skills. Ihre Mundwinkel verbreitern sich bis zum Hamsterbäckchen.
Sie berührt für den Bruchteil einer Sekunde meinen Unterarm. Schon bricht ihr kalter Schweiß aus.
„Wie geht es dir heute?“ zirpt sie, als wäre ich dauerhaft siech.
Am Ende jedes Satzes hängt sie eine Frage an. Zustimmung heischend, da fühlt sie sich gleich besser: „Meinst du nicht auch?“
Nein.
Schon aus Protest gegen diese Pseudoform von Anteilnahme und verlogener Herzlichkeit.
Das Großartige an den Soft Skills ist, dass man sie sich nicht aneignen muss.
Und dass sie übrigens auch nicht funktionieren, wenn sie bloß "drauf geschafft"sind.
Wir alle spüren, wie wir angesprochen werden möchten.
Welchen Umgang(-ston) wir schätzen und wann wir uns wohl fühlen.
Dann nämlich, wenn wir mit Menschen zusammen sind, die ECHT sind.
Mag sein, deren persönlicher Lifestyle ist nicht en vogue.
Mag sein, sie haben nicht den Stallgeruch, der uns eint ab einer gewissen Sphäre.
Mag sein, sie halten immer noch ihr Weinglas am Kelch und nicht am Stiel.
Aber sie begegnen uns auf Augenhöhe.
Sind die mit den Soft Skills vielleicht die Zugewandten, die Netten, die Freundlichen, die Höflichen?
An diesen Gedanken muss man sich noch etwas gewöhnen.
Nett, also wirklich. War das nicht die kleine Schwester von?
Dennoch: ich würde gerne meinem Kollegen eine Mail schreiben, wie wunderbar ich es heute fand, dass er als Einziger dem Kind auf dem Flur nicht ungefragt durchs Haar strubbelte, sondern in die Knie ging.
Dem Kind in die Augen schaute und ihm die Hand zur Begrüßung reichte.
Das Kind mochte ihn auf Anhieb und schenkte ihm einen Papierschnipsel. Mit Eselsohr.
Ich könnte meinem Kollegen auch endlich mal mailen, dass ich richtig gerne mit ihm zusammenarbeite. Weil er verlässlich ist, sich nicht aufspielt, sagt, was er denkt.
Nicht, was gut ankommt.
Wir könnten das ja einfach mal ausprobieren:
Höflich sein. Respekt zeigen. Lächeln, zugewandt sein.
So wie wir uns im Süden im Urlaub oft ganz von selbst betragen.
Haben wir erst ein paar Abende in der Taverne verbracht, nehmen wir allmählich an, was die Einheimischen so selbstverständlich an den Tag legen.
Man kann das freundlich nennen. Oder zugewandt.
Oder eben Soft Skills.
Ich könnte natürlich auch ins Nachbarbüro zu meinem Kollegen gehen und ihm das alles persönlich sagen. Statt der Mail.
Eben.
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